Was ist lebensphasenorientierte Personalpolitik?
Lebensphasenorientierte Personalpolitik bezieht sich darauf, dass Unternehmen ihre Personalstrategien flexibel und anpassungsfähig gestalten, um die Bedürfnisse ihrer Mitarbeitenden in verschiedenen Lebensphasen zu berücksichtigen. Dies schließt nicht nur die berufliche Entwicklung (Einstieg, Arbeitsalltag, Karriere, Weiterbildung, Ausstieg etc), sondern auch die persönliche Lebenssituationen der Mitarbeitenden ein.
Die Idee gründet darin, dass Mitarbeiter im Verlauf ihres (Arbeits-)Lebens sich wandelnde persönliche Umstände und Bedürfnisse haben. Diese sind nicht „reine Privatsache“, sondern wirken sich auch tagtäglich auf das Arbeitsleben der Mitarbeitenden aus. Spätestens seit Corona ist allgemein klar, dass die Grenzen zwischen privaten Bedürfnissen und dem Arbeitsleben immer mehr verschwimmen, und Mitarbeitende von ihren Arbeitgebern immer mehr Fürsorge und Berücksichtigung dieser privaten Bedürfnisse erwarten. Ziel der lebensphasenorientierten Personalpolitik ist es, die Mitarbeitenden in den jeweiligen Lebensphasen optimal zu unterstützen und zu fördern.
Was sind die Vorteile der lebensphasenorientierten Unterstützung?
Zunächst gilt es zu erkennen, das fehlende Unterstützung einen enormen Preis hat. Produktivität und Motivation der Mitarbeitenden sinken in schwierigen Lebensphasen bei fehlender Arbeitgeberunterstützung, Krankenstände – insbesondere auch durch mentale Belastung und Stress – steigen und nicht selten kündigen Mitarbeitende wegen fehlender Vereinbarkeit ihren Job. Frauen trifft dies dabei noch häufiger als Männer, sie kündigen wegen fehlender Vereinbarkeit überproportional häufig ihren Job oder reduzieren die Arbeitszeit. 31% der Mütter Minderjähriger sind nicht (mehr) erwerbstätig, 26% der Frauen kündigen während einer Kinderwunschbehandlung oder reduzieren die Arbeitszeit, 10% der Frauen kündigen ihren Job während der Monopause und weitere 13% überlegen dies aufgrund von Symptomen der Menopause zu tun.
In Zeiten von Fach- und Arbeitskräftemangel können es Unternehmen sich nicht mehr erlauben, Mitarbeitende – und insbesondere Frauen – so einfach zu verlieren. Gleichzeitig werden Arbeitnehmer*innen zunehmend selbstbewusster (dies gilt nicht nur für die GenZ, wie so oft behauptet), und setzen ihre Forderungen nach einer besser auf ihre Bedürfnisse abgestimmte Personalpolitik durch. Bieten Arbeitgeber keine familienfreundlichen Konzepte, so stimmen Mitarbeitende ganz schnell mit den Füßen ab.
Umgekehrt zeigt sich aber, dass Mitarbeitende, die durch ihre Arbeitgeber in schwierigen Lebensphasen unterstützt werden, gesünder, motivierter und produktiver, dankbarer und loyaler sind.
Studien zeigen, dass Familienfreundlichkeit inzwischen für über 90 Prozent der jungen Beschäftigten mit Kindern bei der Arbeitgeberwahl mindestens ebenso wichtig ist wie das Gehalt und zudem der häufigste Grund für einen Arbeitgeberwechsel (BMFSFJ 2023). Insofern ist es im eigenen Interesse des Arbeitgebers sich diesem Thema umfassen anzunehmen. Es hilft bei Mitarbeiterbindung und Arbeitgeberattraktivität.
Welche Lebensphasen gibt es und wie ändern sich die Bedürfnisse der Mitarbeitenden über diese Phasen hinweg?
Die Lebensphasen ab dem Erwachsenenalter sind beispielsweise das Leben als Single oder in einer Partnerschaft, der Kinderwunsch und die Familiengründung, Um- oder Neuorientierung, Ehrenamt, die Pflege von Angehörigen, Menopause oder Krankheit (Quelle: angelehnt an Lebensphasen nach Prof. Jutta Rump, Institut für Beschäftigung und Employability). Nicht jeder Mensch durchläuft alle Lebensphasen und nicht alle Lebensphasen haben für jeden Menschen die gleiche Bedeutung. Allerdings ist es wahrscheinlich, dass ein Großteil der Bevölkerung zumindest einen Teil dieser Lebensphasen – und der damit verbundenen Bedürfnisänderungen – so erlebt.
Je nach Lebensphase ändern sich die Bedürfnisse von Mitarbeitenden und dementsprechend sollten sich auch die Unterstützungsangebote der Unternehmen ändern.
Hier ein paar Beispiele für einzelne Lebensphasen.
- Single, Leben in der Partnerschaft
Bedürfnisse und Belastungen in dieser Phase
- Bedürfnis sich selbst zu verwirklichen (z.B. Reisen, Leben im Ausland)
- Wissensaufbau und Weiterbildung, um ideales Fundament für weitere Karriere zu legen
- Aufbau von finanzieller Basis, meist noch keine ausreichende finanzielle Basis, um sich alle Wünsche und Träume zu ermöglichen
- Zeit für Freizeitaktivitäten und Sport
- Abstrakter, aufgeschobener Kinderwunsch
Mitarbeitende in dieser Lebensphase profitieren zum Beispiel von Weiterbildungsangeboten, typischen Freizeit-, Sport- und Gesundheitsbenefits (z.B. Mitgliedschaft im Fitness-Studio) sowie der Möglichkeit nach Bedarf Arbeit flexibel mit den Freizeitinteressen zu vereinen. Auch Sabbaticals oder das Angebot von Auslandsaufenthalten oder Workations kann interessant sein. Mit Hinblick auf den Kinderwunsch sind in dieser Phase vor allem Angebote interessant, die sich auf den abstrakten, künftigen Kinderwunsch beziehen, also das vorsorgliche Einfrieren von Eizellen („Social Freezing“) wenn zwar ein Kinderwunsch besteht, aber noch der richtige Partner fehlt.
- Kinderwunsch
Bedürfnisse und Belastungen in dieser Phase
- Unsicherheit mit Hinblick auf Vereinbarkeit von Karriere und Kinderwunsch
- Enorme emotionale Belastungen, falls sich der Kinderwunsch nicht (unmittelbar) erfüllen lässt – ganze Lebensentwürfe werden eventuell in Frage gestellt. Belastung kann bis hin zur Depression gehen
- Finanzielle Belastung durch Kosten einer Kinderwunschbehandlung
- Zeitliche Belastung durch Termine in der Kinderwunschklinik
- Eventuelle physische Belastungen durch Hormonbehandlungen oder die Folgen einer Fehlgeburt, von der es sich zu erholen gilt
Unternehmen können ihre Mitarbeitenden in dieser Phase durch Fertility & Family Building Benefits unterstützen. Indem sie ihren Mitarbeitenden Zugang zu Informations- und Beratungsangeboten von Onuava geben, oder sie mit Onuava sogar finanziell auf dem Weg zum Wunschkind unterstützen, können Arbeitgeber ihren Mitarbeitenden helfen, die Konsequenzen einer Kinderwunschreise abzufedern. Dazu gehören auch flexible Arbeitszeiten für Arzttermine und die Möglichkeit, in dieser Zeit von zu Hause zu arbeiten. Diese Maßnahmen tragen nicht nur dazu bei, den Stress der Mitarbeitenden zu reduzieren, sondern zeigen auch ein starkes Engagement für das Wohlbefinden ihrer Belegschaft.
- Junge Familien und Wiedereinstieg
Belastungen und Bedürfnisse in dieser Phase
- Räumliche und zeitliche Gebundenheit, z.B. durch fixe Kitazeiten
- Erhöhter Bedarf an Flexibilität seitens des Arbeitgebers mit Hinblick auf Anpassung von Arbeitszeiten
- Finanzielle Belastungen und Engpässe durch zusätzliche Ausgaben und eventuell reduziertes Gehalt aufgrund von Teilzeit
- Emotionale Belastung bei Wiedereinstieg, z.B. durch Schlafmangel aber auch Unsicherheit in der neuen Rolle und Doppelbelastung
Unternehmen können durch Unterstützung im Rahmen der Kinderbetreuung helfen. Dies kann eine Betriebskita, ein Betriebskindergarten oder ein Nanny-Dienst sein. Ferienangebote können helfen die langen Ferienzeiten zu überbrücken. Auch flexible Arbeitsangebote, hybrid Arbeitsmodelle sowie Teilzeit-Angebote oder Job-Sharing sind für Mitarbeitende in dieser Phase besonders wichtig. Bei Wiedereinstieg können praktische Wiedereinstiegstrainings helfen, aber auch Angebote wie Schlaf-Coachings um Mitarbeitende bei Schlafmangel zu unterstützen.
- Pflege von Angehörigen
Belastungen und Bedürfnisse in dieser Phase
- Räumliche und zeitliche Gebundenheit, z.B. regelmäßige Betreuung zu Hause oder Begleitung bei Arztterminen
- Erhöhter Bedarf an Flexibilität seitens des Arbeitgebers mit Hinblick auf Anpassung von Arbeitszeiten
- Großer Informationsbedarf und Belastung durch die Suche eines geeigneten Pflegedienstes
Die Pflege von älteren Familienmitgliedern ist für viele Arbeitnehmer eine Realität. Hier können Unternehmen unterstützende Maßnahmen ergreifen, wie zum Beispiel die Bereitstellung von Pflegeurlaub, flexible Arbeitszeitmodelle oder die Vermittlung von Unterstützungsdiensten für die Pflege zu Hause. Durch diese Maßnahmen zeigen Arbeitgeber Empathie und tragen dazu bei, dass Mitarbeitende ihre beruflichen Verpflichtungen und ihre Rolle als Pflegeperson besser vereinbaren können. Vor allem können die Unternehmen Mitarbeitende dadurch im Unternehmen halten statt erfahrene Mitarbeitende zu verlieren.
- Menopause
Belastungen und Bedürfnisse in dieser Phase
- Physische Belastungen durch Schlafmangel, Hitzewallungen und Verschlechterung des physischen Befindens
- Emotionale Belastungen bis hin zu depressiven Verstimmungen
- Temporäre Konzentrationsschwächen und Leistungsabfall
Die Menopause ist eine Lebensphase, die häufig übersehen wird, wenn es um Unterstützung am Arbeitsplatz geht. Unternehmen können jedoch gezielte Programme einführen, um die Auswirkungen der Menopause zu mildern. Dazu gehören flexible Arbeitszeiten, die Bereitstellung von privaten Rückzugsorten, einfache Dinge wie Tischventilatoren oder Workshops zur Sensibilisierung für dieses Thema. Auch der Zugang zu gezielt auf die Menopause ausgerichteten Beratungs- und Informationsangeboten kann helfen. Indem Arbeitgeber die Menopause als normalen Teil des Lebens betrachten und entsprechende Unterstützung bieten, schaffen sie eine positive und inklusive Arbeitsumgebung.
Fazit: Die Vorteile einer Lebensphasenorientierten Personalpolitik
Die Einführung einer lebensphasenorientierten Personalpolitik bietet zahlreiche Vorteile für Arbeitgeber und Mitarbeitende gleichermaßen. Neben einer gesteigerten Mitarbeiterzufriedenheit und -bindung können Unternehmen auch von einer höheren Produktivität und einem positiven Image profitieren. Durch die Anerkennung und Unterstützung der verschiedenen Lebensphasen ihrer Belegschaft zeigen Unternehmen nicht nur soziale Verantwortung, sondern stärken auch ihre Wettbewerbsfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt.
Insgesamt zeigt die lebensphasenorientierte Personalpolitik, dass es nicht nur um die Förderung der beruflichen Entwicklung geht, sondern auch um die Schaffung einer unterstützenden Umgebung, die die individuellen Bedürfnisse der Mitarbeitenden respektiert und wertschätzt. Unternehmen, die diese Prinzipien umsetzen, werden nicht nur als attraktive Arbeitgeber wahrgenommen, sondern fördern auch eine gesunde und nachhaltige Unternehmenskultur.